Klimaschutz als kollektives Handeln

Die psychologische Forschung zur Rolle sozialer Identität

von Immo Fritsche, Markus Barth & Gerhard Reese

Abstract. Klimaschützendes Handeln Einzelner kann nur unzureichend über persönliche Kosten-Nutzen-Überlegungen oder Werthaltungen erklärt – geschweige denn, motiviert – werden. Dieses Handeln ist nur zusammen mit anderen Menschen wirksam und sozial »rational«. Daher sollten Personen sich insbesondere dann im Klimaschutz engagieren, wenn sie ihr Verhalten als Teil kollektiven (statt individuellen) Klimahandelns verstehen. Aufbauend auf dem Social Identity Model of Pro-Environmental Action (SIMPEA) diskutieren wir vier Faktoren kollektiven Denkens, die in der Forschung als wichtige Antreiber umweltfreundlichen Alltagshandelns und aktivistischen Handelns identifiziert wurden: Identifikation mit eigenen Gruppen (von Umweltgruppen bis hin zu nationalen Bevölkerungen oder gar der ganzen Menschheit), kollektive Wirksamkeit, kollektive Normen und Emotionen/Motivationen. Wir illustrieren die grundlegende Forschung zu diesen Faktoren und schlagen Ansatzpunkte für mögliche Interventionsstrategien zur Förderung klimafreundlichen Handelns vor.

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Illustration: Jai Wanigesinghe

In einfachen Worten. Ein Mensch allein kann das Klima nicht gut schützen. Dazu braucht es ganz viele Leute. Wenn man in einer Gruppe ist, kann man etwas für das Klima tun. Wir sind Wissenschaftler. Wir wollen wissen, wann Menschen das Klima schützen. Also: Wann kaufen Menschen Bio-Produkte? Wann verzichten sie auf das Reisen mit dem Flugzeug? Oder wann gehen sie zu einer Demonstration für Umweltschutz? In Untersuchungen haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausgefunden, dass Gruppen dafür wichtig sind. Besonders wichtig ist, was Menschen über ihre Gruppen denken. Wenn man zu einer Gruppe gehört, will man das Klima eher schützen, wenn 

  • man seine Gruppe für sich selbst wichtig findet und die Gruppe mag.
  • man glaubt, dass es zu den Regeln und Zielen der Gruppe gehört, das Klima zu schützen.
  • man findet, dass die Gruppe Dinge beeinflussen kann.

Manchmal hat man Angst, selbst nichts tun zu können. Ob man dann trotzdem etwas tut, hängt besonders von den Gedanken über die eigene Gruppe ab. Eine Gruppe kann eine Umweltgruppe sein. Aber es können auch die Leute sein, die alle in der eigenen Stadt wohnen. Oder auch alle jungen Menschen. Es gibt viele Beispiele für Gruppen, in denen man etwas tun kann.

Immo Fritsche ist Professor für Sozialpsychologie an der Universität Leipzig. Er forscht zur Sozialpsychologie der Umweltkrise sowie zu grundlegenden Prozessen sozialen Denkens und Handelns, insbesondere im Kontext sozialer Gruppen.

Markus Barth hat in Berlin Psychologie studiert und unterrichtet seit 2019 Sozialpsychologie an der FH Bielefeld. Er forscht zu den Faktoren, die individuelles und kollektives Umweltverhalten motivieren. Sein zweiter Schwerpunkt liegt in der Forschung zu Konflikten zwischen Gruppen und deren Auflösung.

Gerhard Reese ist Professor für Umweltpsychologie an der Universität Koblenz-Landau. Er forscht zu individuellen, sozialen und systemischen Prozessen, die Umwelt- und Naturschutzverhalten motivieren. Zudem interessiert er sich dafür, wie Umwelt und Natur unser Wohlbefinden beeinflussen.

DOI: https://doi.org/10.30820/9783837978018-229