Leugnung aus psychodynamischer Sicht
Kurze Psychodynamische Einordnung der Klimakatastrophen-Verleugnung von Dr. med. M. Krimmer, Hannover
Die Erde existiert seit Milliarden Jahren, der Mensch seit einigen Millionen Jahren. In den gut hundert Jahren seit der industriellen Revolution hat der Mensch die Ressourcen der Erde fast aufgebraucht, die Biodiversität an Pflanzen und Tieren merklich reduziert, die Atmosphäre mit CO2 angereichert und eine Erderwärmung durch Treibhausgase von inzwischen etwa 1,1 Grad Celsius verursacht, die schon jetzt merkliche Auswirkungen auf das Erdklima hat. Über 50 % des durch Menschen verursachten CO2 ist in den letzten 25 Jahren in die Atmosphäre gelangt. Während bei uns lediglich die Wälder absterben und es 2018 den wärmsten und trockensten Sommer seit Aufzeichnung des Wetters gab, kommt es in anderen Regionen der Welt schon zu schwersten Orkanen und Überschwemmungen. Die Zahl der Klimawandel-Toten wird auf jährlich 300.000 geschätzt. Die Klimakatastrophe hat begonnen.
Wir als Psychotherapeuten, Psychologen und Ärzte stehen in einer besonderen Verantwortung: Psychotherapie, die jenseits der Couch und außerhalb des Behandlungszimmers nicht nur das Seelenleben, sondern auch den Menschen in der Welt, versucht zu verstehen, die Abwehrmechanismen von Verneinung, Leugnung, Verleugnung, Projektion, Spaltung usw., ist notwendig, um die fortschreitende Klimakatastrophe in Worte zu fassen, die Ängste der Menschen auszuhalten und zu versuchen, dann im Angesicht der nicht mehr abgewehrten, uns so große Angst bereitenden Realität neu handlungsfähig zu werden zu können. Wir leben inmitten der Klimakatastrophe.
Und dies macht so große, unerträgliche Angst, dass Menschen diese überwältigenden Gefühle von Hilflosigkeit, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit mit verschiedenen seelischen Mechanismen aus ihrem Bewusstsein drängen.
Besonders häufig ist Leugnung anzutreffen, die in regelrechten Kampagnen, z.Z. beispielsweise in Deutschland durch die INSM (Initiative neue soziale Marktwirtschaft), Missinformationen streut und durch Wirtschaftslobbys und kapitalistische Ideologien gestützt wird. Leugnung versucht das Wissen der Klimakrise zu unterlaufen. Leugnung ist eine Industrie, deren Hauptprodukt der Zweifel ist.
Verneinung, ein Nicht-Wahrhaben-Wollen, bedeutet zu sagen, dass etwas nicht existent ist, das aber existiert. Verneinung tritt besonders dann als Selbstschutz auf, wenn Gefühle der Angst und des Verlustes plötzlich auftauchen und dann als unerträglich wieder aus dem Bewusstsein geschoben werden, wie bei einer schweren Krankheitsdiagnose, die nicht wahrgehabt werden kann. Bei der Krankheits- und Trauerbewältigung ist die erste Phase ein Nicht-Wahrhaben –Wollen, bevor dann Ärger, Handeln mit dem Schicksal, Depression und Trauer und schließlich Akzeptanz eintreten können als angemessene Bewältigung des Verlustes. Analoge Gefühlsmechanismen durchlaufen Menschen in der heutigen Zeit mit dem Verlust ihres Lebensraumes, der Biodiversität und letztendlich der Bedrohung ihrer gesamten Existenz.
In der Verleugnung wird die Realität stärker akzeptiert, aber deren Bedeutung wird minimiert. Wirkliches Verleugnen bedeutet zugleich Wissen und nicht Wissen, also es zwar zu wissen, aber nicht in der gesamten Bedeutung zu erfassen oder es zu wissen, aber es in der eigenen subjektiven Realität nicht zu fühlen.
Diese unseren menschlichen Strukturen und Mechanismen zu kennen, ist ebenso wichtig wie die naturwissenschaftlichen Fakten zu wissen. Alle Forschungsergebnisse zeigen, dass die Erderhitzung ein gefährliches Ausmaß erreicht hat, ein immer schneller fortschreitender Prozess, der ab einem gewissen Punkt in eine Katastrophe kippen kann. Nie zuvor war die Menschheit so global bedroht wie dieser Tage.
Die Geschichte zeigt, dass Menschen zu außerordentlichen Leistungen fähig sind. Noch haben wir die Chance, die Zerstörung zu verhindern!
Zwei Tatsachen gilt es dabei jedoch zu bedenken:
Wir Menschen sind viel weniger rational, als wir glauben und wir sind nicht jenseits dieser Welt, sondern wir sind ein Teil dieser Welt.