Terror-Management-Theorie

(Greenberg, Pysczynski & Solomon 1986)

Anke Hofmann & Malte Schott

Die Terror-Management-Theorie (TMT) beschäftigt sich mit der Frage, was mit uns
passiert wenn wir an die eigene Sterblichkeit erinnert werden. Seit ihrer
Formulierung im Jahr 1986 (Greenberg, Pyszczynski, & Solomon) wurde die TMT
mehrere tausend Mal zitiert und es hat hunderte Veröffentlichung zur TMT
gegeben – sie gehört damit sicher zu den prominentesten Theorien der
Sozialpsychologie (Burke, Martens & Faucher, 2010).

Die grundsätzliche Fragestellung der TMT basiert auf den
Beobachtungen und Überlegungen, die bereits der Sozialanthropologe Ernest
Becker (1973) in seinem Buch „The Denial of Death“ (deutsch: „Die
Überwindung der Todesfurcht“) veröffentlichte. Die Angst vor der eigenen
Sterblichkeit wird hier als allem Verhalten, der Entwicklung von Werten und der
Kultur zugrundeliegend betrachtet.

Angst wird von uns in der Regel als unangenehm erlebt, da
sie oft in nicht kontrollierbaren Situationen auftritt. Wenn wir also Angst
verspüren, dann tun wir etwas, um das Gefühl abzuwehren oder es gar nicht erst
aufkommen zu lassen. Wir vermeiden das, was uns Angst macht. Da wir den eigenen
Tod aber nicht vermeiden können, ist es dem Menschen wichtig, etwas Sinnhaftes
zu tun – Sinn im eigenen Leben zu sehen und zu etwas beizutragen oder Teil von
etwas zu sein, das den eigenen Tod überdauert. Der derartige Umgang mit der
Todesangst (latein: terreo = jmd. in Schrecken versetzen) wird hier mit
„Terror-Management“ bezeichnet und wird als Versuch einer Art (symbolischer)
Unsterblichkeit verstanden.

Unsere Abwehrmechanismen gegen den Schrecken der
Sterblichkeit lassen sich im Rahmen der TMT als Verteidigung des eigenen
Weltbildes sowie des Selbstwertes zusammenfassen. Das bedeutet, dass Menschen
unter Mortalitätssalienz (MS), also wenn ihnen die Sterblichkeit vor Augen
geführt wird, dazu neigen, die eigenen kulturellen Werte stärker zu
verteidigen, die eigene Gruppe stärker zu unterstützen und fremde Gruppen
stärker abzulehnen. Bedeutsam dabei ist, dass hier keine absolut gültigen Werte
und Normen verstärkt werden, sondern eben jene kulturell geprägten
Einstellungen, die zu der jeweiligen Person und ihrem Weltbild passen. Der Selbe
MS Prozess, der bei US-Amerikanern zur Befürwortung einer aggressiven
Außenpolitik führen kann, kann also bei Iranern zu einer Unterstützung von
Terrorismus führen (Pyszczynski et al., 2006). 

Terror-Management betrifft demnach sowohl den Umgang mit
Todesangst durch eine Verteidigung des eigenen Selbstwertes und Weltbildes als
auch die Abwehr von als bedrohlich erlebten Fremden und ihrer fremdartigen
Kultur.

Aber was heißt das für die Klimakatastrophe?

Die TMT auf die Klimakatastrophe zu beziehen liegt nahe.
Die häufiger werdenden Berichte über einzelne Naturkatastrophen und die
Auswirkungen des Klimawandels stellen eine Bedrohung dar, die als MS die eigene
Sterblichkeit bewusstmachen können. In vergleichbarer Weise wurden die
Terroranschläge vom 9. September 2001 im Sinne der TMT interpretiert und als
Erklärung für die gesteigerte Unterstützung des amerikanischen Präsidenten
Georg W. Bush herangezogen (Landau et al., 2004): konservative Amerikaner
hätten hier mit der Unterstützung des Präsidenten ihr Weltbild und ihren
Selbstwert verteidigt.

Problematisch für unsere Perspektive ist allerdings, dass
die Auswirkung der erlebten Bedrohung beim Thema Klimakatastrophe sowohl in die
eine als auch in die andere Richtung ausschlagen kann, entweder also zu einer
gesteigerten Risikowahrnehmung und Unterstützung von entsprechenden Maßnahmen
oder aber zu einer Verharmlosung und entsprechenden Ablehnung von Klima- und
Naturschutzmaßnahmen führen kann (Wolfe & Tubi, 2019). Es macht hierbei
beispielsweise einen großen Unterschied, welches Weltbild Menschen mitbringen,
ob Umweltschutz für sie persönlich eine wichtige Rolle spielt, ob Umweltrisiken
als nah oder fern erlebt werden oder ob Bedrohungen als die eigene Gruppe
betreffend wahrgenommen werden. Wichtig ist zu berücksichtigen, dass Angst
auslösende Kommunikationsstrategien im Kontext von Konsumverhalten durchaus
eine im Sinn des Klimaschutzes negative Auswirkung haben können (Akil,
Robert-Demontrond & Bouillé, 2018). Eine auf Angst und Schrecken
ausgerichtete Kommunikation kann also dazu führen, dass von einzelnen nur umso
mehr konsumiert wird und dass Maßnahmen zur Reduktion von Emissionen eher
abgelehnt werden.  Es macht also wenig
Sinn über die Klimakatastrophe ausschließlich hinsichtlich der Bedrohung zu
berichten.

Eine Möglichkeit diesem Problem zu begegnen könnte darin
liegen in der Kommunikation zur Klimakrise auf Angst auslösende Narrative weitgehend
zu verzichten und stattdessen mit positiven Geschichten alternative Szenarien
aufzuzeigen (Daly, 2020). Letztendlich ist aber aufgrund des Ausmaßes und der
katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels nicht zu verhindern, dass die
Klimaberichterstattung die Verletzlichkeit von Ökosystemen und die Endlichkeit
des Lebens deutlich macht – und damit im Sinne der TMT auch als
Mortalitätssalienz wirkt.

Was bleibt also zu tun wenn Klimaberichterstattung zwangsläufig
die von der TMT beschriebenen Prozesse auslöst? Was muss getan werden, um
Umweltschutz unter dieser Bedingung nicht zu gefährden – oder besser
noch: zu fördern? Wie können wir Konsumverzicht und die Bereitschaft bei Klimaschutzmaßnahmen
mitzuwirken auch innerhalb des theoretischen Rahmens der TMT unterstützen?

Es ist plausibel anzunehmen, dass es schon einen
Unterschied machen kann, wenn es gelingt das globale Problem der
Klimakatastrophe so darzustellen, dass es uns alle betrifft, die gesamte
Menschheit und nicht nur einzelne Gruppen (Pyszczynski et al., 2012). Zumindest
solche psychischen Abwehrreaktionen auf MS, die die eigene Gruppe schützen
sollen und fremde Gruppen herabsetzen – um so unseren eigenen Selbstwert zu
erhöhen – können dadurch verhindert werden.  

Und natürlich ist das Forschungsgebiet der TMT noch immer
aktuell und auch aus der Schnittmenge mit Kommunikation über den Klimawandel dürfen
wir sicher in den nächsten Jahren konkrete und detaillierte Ergebnisse
erwarten, so wie etwa Wolfe und Tubi (2019) hierzu verschiedene mögliche
Forschungsansätze aufgezeigt haben. 

Letztendlich kann aber davon ausgegangen werden, mit oder
ohne Rücksicht auf die TMT und den Gedanken an die eigene Sterblichkeit, dass
es von größter Wichtigkeit ist, uns an den Kern unserer Überzeugungen heran zu
wagen. Wir müssen unser Weltbild und unseren Selbstwert auf eine Weise neu
prägen, die nicht im Widerspruch zu den Zielen von Klima- und Umweltschutz
steht. Die Kinder- und Jugendgenration kann man hier wahrscheinlich noch
leichter mitnehmen und in einem positiven Sinn beeinflussen als die Älteren.
Aber unabhängig vom individuellen Alter sollten wir es uns zum Ziel machen
Nachhaltigkeit als eine Selbstverständlichkeit zu betrachten. Vielleicht kann
es insbesondere für ältere Menschen sogar eine Art von kultureller
Unsterblichkeit werden, für nachfolgende Generationen zu einer lebenswerten
Zukunft beizutragen.

Wir müssen uns ein Weltbild aneignen, in dem unser
Selbstwert und unsere Teilhabe an Kultur nicht mehr durch klimaschädlichen
Konsum vermittelt werden. Es muss uns gelingen verantwortliches Handeln und
unseren persönlichen Anteil an der globalen Menschheitskultur – mit Respekt
gegenüber den nachfolgenden Generationen – zu unserem ganz persönlichen
Selbstverständnis zu machen. Dann sollte, im Sinne der TMT, auch der Gedanke an
unsere eigene Sterblichkeit nicht zum Leugnen der Klimakrise oder zu
unverantwortlichem Handeln führen. Im Gegenteil, das sollte unsere gemeinsamen
Anstrengungen gegen die Klimakatastrophe noch weiter verstärken.

 

Literatur:


Akil, H., Robert-Demontrond, P., & Bouillé, J. (2018). Exploitation of mortality salience in communication on climate change. Recherche et Applications en Marketing (English Edition), 33(1), 2-29. DOI:10.1177/2051570717745839

Becker, E. (1997). The denial of death. Simon and Schuster.

Burke, B. L., Martens, A., & Faucher, E. H. (2010). Two decades of terror management theory: A meta-analysis of mortality salience research. Personality and Social Psychology Review, 14(2), 155-195. DOI:10.1177/1088868309352321

Daly, D. (2020). A Storied Perspective on Climate Change: The Effects of Narrative Transportation and Mortality Salience on Pro-Environmental Behavior (Doctoral dissertation, University of Colorado at Boulder).

Greenberg, J., Pyszczynski, T., & Solomon, S. (1986). The causes and consequences of a need for self-esteem: A terror management theory. In Public self and private self (pp. 189-212). Springer, New York, NY.

Landau, M. J., Solomon, S., Greenberg, J., Cohen, F., Pyszczynski, T., Arndt, J., … & Cook, A. (2004). Deliver us from evil: The effects of mortality salience and reminders of 9/11 on support for President George W. Bush. Personality and Social Psychology Bulletin, 30(9), 1136-1150.

Pyszczynski, T., Abdollahi, A., Solomon, S., Greenberg, J., Cohen, F., & Weise, D. (2006). Mortality salience, martyrdom, and military might: The great Satan versus the axis of evil. Personality and social psychology bulletin, 32(4), 525-537.

Pyszczynski, T., Motyl, M., Vail III, K. E., Hirschberger, G., Arndt, J., & Kesebir, P. (2012). Drawing attention to global climate change decreases support for war. Peace and Conflict: Journal of Peace Psychology, 18(4), 354. DOI:10.1037/a0030328

Wolfe, S. E., & Tubi, A. (2019). Terror Management Theory and mortality awareness: A missing link in climate response studies?. Wiley Interdisciplinary Reviews: Climate Change, 10(2), e566. DOI:10.1002/wcc.566