What do we want!? Identität, Moral und Wirksamkeit
Eine sozialpsychologische Perspektive auf die Erfolgsfaktoren der jungen Klimabewegung
von Julian Bleh
Abstract. Durch die junge Klimabewegung hat die bisher schwer vermittelbare Dringlichkeit der Klimakrise im Jahr 2019 breitere gesellschaftliche Unterstützung erfahren als jemals zuvor. Die Bewegungsforschung zu Fridays for Future identifiziert dafür drei Erfolgsfaktoren: die Person Greta Thunberg, die Protestform des Schulstreiks und das neuartige Framing. Die umfassende und anhaltende Protest-Mobilisierung ist entscheidend von der Identifikation mit der Bewegung abhängig. Unsere Identifikation mit politischen Gruppen dient der Erfüllung psychologischer Bedürfnisse, insbesondere danach, unsere Umwelt zu verstehen und Kontrolle zu empfinden. Politisches Handeln entsteht im Zusammenspiel wahrgenommener Identität, Moral und Wirksamkeit. Emotionen beeinflussen diese Wahrnehmung und verstärken die daraus entstehende Motivation. Von dieser Grundlage ausgehend ergänzt der folgende Beitrag die bestehende soziologische und politologische Analyse der drei Erfolgsfaktoren um eine sozialpsychologische Perspektive. Darauf aufbauend werfe ich abschließend einen Blick auf zwei aktuelle Debatten der Klimagerechtigkeitsbewegung: zum einen die fehlende Anschlussfähigkeit außerhalb des weißen Bildungsbürgertums; zum anderen die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Gegenentwurfs zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels.
In einfachen Worten. Wir können das Klima nicht allein schützen. Wir brauchen erkennbare Gruppen, um gemeinsam zu handeln. Junge Menschen sind von der Klimakrise betroffen. Greta Thunberg hat diese Gruppe Betroffener sichtbar gemacht. Außerdem hat sie uns alle mit der Bedrohung durch die Klimakrise konfrontiert. Als Reaktion auf diese Bedrohung haben sich viele junge Menschen Fridays for Future angeschlossen. Die Klimapolitik der Regierung verletzt die Rechte junger Menschen. Der Schulstreik hat gezeigt, dass junge Menschen gemeinsam etwas gegen diese Ungerechtigkeit tun können. Dadurch haben sich immer mehr Menschen Fridays for Future angeschlossen.

Auch viele ältere Menschen unterstützen Fridays for Future. Das hat zwei Gründe: Erstens, die jungen Menschen haben gezeigt, dass die Klimakrise nicht mehr weit weg ist. Zweitens, die Regierung hat 2015 in Paris mitbeschlossen, Klimaschutz ernst zu nehmen. Fridays for Future fordert, dass sich Politiker:innen an dieses Versprechen halten. Diese Forderung können viele Menschen gut verstehen. Der Einfluss von Fridays for Future ist schon vor Corona zurückgegangen. Bisher haben vor allem weiße, wohlhabende und hoch gebildete Menschen fürs Klima demonstriert. Damit auch andere Menschen mitmachen, braucht es neue vielfältige Vorbilder. Außerdem können wir das Klima nur retten, wenn wir unsere Lebensweise und die Wirtschaft stark verändern. Deshalb sollten wir uns als Gesellschaft häufiger fragen: »Wie wollen wir leben?« und »Wie kommen wir dahin?«
Julian Bleh ist in der Klimagerechtigkeitsbewegung aktiv und arbeitet als Sozialpsychologe in verschiedenen Bereichen sozial-ökologischer Transformation; als Wissenschaftler, Prozessgestalter, Evaluator und Referent. In seiner Arbeit beim Klima*Kollektiv e. V. möchte er sozialpsychologische Erkenntnisse der Bewegungsforschung in die Praxis sozialer Bewegungen bringen.